Apricale und die Belle Epoque

Kunst & Kultur

In den Hügeln der Riviera Ponente werden wir an die tragische und faszinierende Geschichte der Gräfin Cristina Bellomo erinnert. Sie war die Geliebte von französischen Adeligen und Intellektuellen, man nimmt sogar an, dass sie eine Spionin des russischen Geheimdienstes am Hofe des Zaren war.
Laut den offiziellen Dokumenten, die in der Gemeinde Apricale aufbewahrt werden, wird sie zur gleichen Zeit wie das Königreich Italien geboren, nämlich im Jahr 1861. Sie entstammt einer armen Familie und heiratet Giobatta Pisano, genannt Battilosso, der in illegale Geldgeschäfte verwickelt ist und schließlich über Nizza nach Amerika flüchtet. Die zukünftige Gräfin lässt sich dadurch nicht entmutigen und es gelingt ihr, Kammerzofe beim Grafen Charles De la Tour zu werden. De la Tour, ein französische Adliger, verbringt sein Leben in vornehmen Salons in Nizza und Paris. Dorthin übersiedelt er bald mit Cristina und er lässt ihr Unterricht in Lesen, Schreiben und guten Umgangsformen geben.
De la Tour kann sie zwar nicht heiraten, weil Cristina formal noch mit ihrem geflohenen Mann verheiratet ist, er hinterlässt ihr jedoch ein beträchtliches Erbe und den Namen (daher der Name Contessa della Torre). Durch diesen erhält sie Zutritt zur Gesellschaft und sie überzeugt ihre Nichte Maria, Apricale zu verlassen und mit ihr nach Paris zu gehen. Die beiden unternehmen einige Reisen durch Europa, die wichtigste Reise führt sie in das Russland von Großfürst Alexeij Romanov.
Wie so oft am Ende des neunzehnten Jahrhunderts erfährt Marias Leben eine tragische Wende, als sie an Tuberkulose erkrankt. Die Gräfin reist mit ihrer Nichte nach Paris, um ihr dort die beste Behandlung zu ermöglichen, aber die junge Frau stirbt bald nach ihrer Rückkehr nach Frankreich. Ein feierlicher Trauerzug, an dem offenbar sogar Romanov selbst teilnimmt, zieht nach Apricale, wo Maria beigesetzt wird. Auf ihrem Grab errichtet der russische Adelige ein orthodoxes Kreuz.
Die Verbindung zwischen Cristina und dem Großfürsten hat sich gefestigt, sie wollen sogar heiraten und die Gräfin bemüht sich darum, dass ihr Mann heimkehrt, um die Ehe annullieren zu lassen. Battilosso willigt ein und kehrt nach Apricale zurück, wo er mit dem Reichtum und dem Ansehen seiner Frau konfrontiert wird, die er selbst nie erreicht hat.

Im Jahr 1904 ermordet Battilosso seine Ehefrau, wenig später erhängt er sich aus Reue.
Diese kurze Erinnerung an eine Zeitgenossin, an die Gräfin della Torre, ruft in wenigen Zeilen die einzigartige Atmosphäre einer ganzen Epoche wach.

[Alessandra Chiappori]

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